Samstag, 23. Juni 2007

Moderne Führungssysteme - kein Ersatz für gut ausgebildete Soldaten

Gespräch mit Generalleutnant James D. Thurman, Befehlshaber des V. Korps der US Army

von Bruno Lezzi (2007), NZZ, Nr. 141, S. 17.
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Generalleutnant Thurman räumt (...) ein, dass gerade beim Kampf in überbautem Gebiet die Verifikation von auf dem Bildschirmen vorliegenden Informationen durch menschliche Nachrichtenquellen unerlässlich sei; denn improvisierte Sprengkörper und Autobomben liessen sich kaum aus der Luft ausfindig machen. Nicht das System, das nur nach intensivstem Training beherrschen werden könne, sondern der Truppenführer mit seinen Erfahrungen, vor allem aber auch mit seiner taktischen Intuition und seinem Sinn für die Festlegung nachrichtendienstlicher Prioritäten bestimme das Geschenen. Nur so gelinge es, die Informationsfülle nach klaren Kriterien zu triagieren, zu bewerten und zu nutzen. (...)

Wer aber glaube, Systeme für die vernetzte Operationsführung ersetzten den gut ausgebildeten Soldaten, gebe sich Illusionen hin. Denn der Kampf werde nicht durch Computer entschieden. Die klassischen Prinzipien der Gefechtsführung (...) behielten ihre ungebrochene Bedeutung.

Als besonders hilfsreich bezeichnetet der General die Möglichkeit zur Kommunikation und Kooperation. So habe er sich mit seinem damaligen Kopskommandanten im Irak, Generalleutnant Peter W. Chiarelli, vor dem Hintergrund des gemeinsamen Lagebildes laufend über Video austauschen können. (...) So war die rasche Anpassung von Abschnittsgrenzen zwischen den Verbänden (...) in gegenseitiger Absprache [taktischer Dialog] problemlos zu bewältigen, wenn beispielsweise Kräfteverlagerungen nötig wurden.

(...) geäusserte Befürchtungen (...) militärisches Mikromanagement zu betreiben, wollte Thurman nicht zum Vorneherein als unberechtigt von der Hand weisen. Militätische Chefs, die solcher Versuchung erlägen, handelten aber falsch. Trotz schnellem Informationsfluss sollten Generäle sich in Geduld üben und ihren militärischen Untergebenen Vertrauen entgegenbringen, denn militärische Operationen brauchten Zeit.
Die unterstellten Verbände müssten einen breiten Handlungsspielraum haben, um aufgrund einer klar formulieren Absicht für die Operatsführung situationsgerecht agieren zu können.

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Als früherer Kommandierender General des National Training Center (...) unterstrich Thurman im Weiteren die ungebrochene Bedeutung des Kampfpanzers im modernen Gefecht, auch in Agglomerationen. Mehr als früher seien Panzer, die voll ins Netzwerk von Aufklärungs- und Führungsmitteln integriert seien, jedoch im Zusammenspiel mit anderen Truppengattungen zu sehen. Zudem komme der Mischung zwischen schweren und leichten Verbanden im Rahmen von Task-Forces vermehrte Bedeutung zu. (...)

Die vernetzte Operationsführung bringe nach seiner Ansicht nicht neue taktische Verfahren mit sich. Deren Wert liege vielmehr darin, bewährte Taktiken schneller und präziser anwenden zu können und damit einem Gegner zuvorzukommen [Erhöhung des operationellen Tempos].

Obschon sich der General vom Nutzen moderner Netzwerke für Aufklärung und Führung überzeugt gab, warnt er davor, die menschliche Dimension zu vernachlässigen. Das Team und nicht das Individuum stehe im Zentrum.

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weiterführende Literatur:
Information Warfare - Ein strategisches Mittel der Zukunft. Darstellung der Mittel, Möglichkeiten und Einsatzarten

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