Sonntag, 11. November 2007

Soldat im Zeitalter der Globalisierung

von Wolfgang Schneiderhan (2007), Europäische Sicherheit, Nr. 2, S. 14-20.

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Globalisierung und soldatisches Berufsbild

Die Begründung des soldatischen Dienens ist unter diesen Umständen komplexer und schwieriger geworden als zu Zeiten des Kalten Krieges. Die Übergänge vom unbeteiligten Zivilisten zum Widerstandskämpfer, Terroristen oder simplen Kriminellen vollziehen sich heute fliessend. Je rascher und geschmeidiger sie erfolgen können, umso höher müssen unsere Anforderungen an die Flexibilität, an die Bildung und an die Fähigkeiten unserer Soldatinnen und Soldaten sein.

Wir benötigen eine intensive und ersthafte Auseinandersetzung mit dem modernen Berufsbild des Soldaten, seinem künftigen Anforderungensprofil und den damit einhergehenden Risiken. Dazu müssen wir uns darüber Klarheit verschaffen und anerkennen, dass sich die Anforderungen an den Soldaten und militärischen Führer gravierend gewandelt und erweitert haben.
Die Anforderungen, die wir an die allgemeine soldatische Kompetenz stellen, erhöhen sich durch das veränderte Aufgabenfeld sowohl militärisch handwerklich und intellektuell als auch in der Frage des Selbstverständnisses. Der archaische Kämpfertypus kann diesen hohen Ansprüchen nicht genügen, beziehungsweise erfüllt nur noch einen Teil der geforderten Fähigkeiten.
Heute reicht das soldatische Berufsbild von zivilen, präventiven, manchmal polizeiähnlichen Aufgaben bis hin zum klassischen Kriegseinsatz. Letzterer wird voraussichtlich immer seltener erfolgen, bleibt aber Kernkompetenz jeder soldatischen Existenz.

Im Kampf gegen den weltweiten Terror ist ein Einsatz, in dem sich die unterschiedlichen Aspekte soldatischen Aufgabenprofils wechselseitig durchdringen, rasch miteinander abwechseln und sogar parallel auftreten, heute die wahrscheinlichste Form. Wir finden sie besonders ausgeprägt bei den Stabilisierungseinsätzen, die - anders als im alten Kriegsbild vorgesehen - häufig in völlig unterschiedlichen Kulturkreisen erfolgen.
Dafür benötigen wir charakterstarke und in der Urteilungskraft gefestigte Persönlichkeiten mit emotionaler und moralischer Stabilität, die auch in Krisensituationen unter hohem psychischen und physischen Druck bestehen können. Politsche, soziale, ethische und moralische Urteilsfähigkeit sowie interkulturelle Kompetenz werden zunehmend bedeutsam und müssen heute wie zukünftig in Ausbildung und Bildung einfliessen.


Die Bundeswehr benötigt engagiertes Führungspersonal mit hoher sozialer Kompetenz. Es muss zum ganzheitlichen Denken befähigt, kommunikativ und gleichermassen konflikt- wie konsensfähig sein. Wir brauchen flexible militärische Führer, die lernwillig und lernfähig sind und auf deren raschen Urteilsfähigkeit wir uns verlassen können. Vor allem aber müssen sie in erster Linie nach wie vor körperlich wie mental belastbar sein.
Die Asymmetrie der Kriegsführung verlangt vom militärischen Führer heute schon auf relativ niedriger Ebene ein sicheres Urteilsvermögen, um die Lage in völlig unübersichtlichen Situationen richtig erfassen und beruteilen zu können und unter Druck - Stress - sicher entscheiden zu können.
Dies ist ein komplexer Anspruch. Hier muss im Einklang mit dem Prinzip der Auftragstaktik Verantwortung für Entscheidungen übernommen werden, die unter Umständen später in der Heimat unter Berücksichtigung möglicher politscher Implikationen und unter grosser Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit diskutiert werden.

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ergänzende Literatur:
MILES KOSMOPOLITIS: Brevier für den kritisch urteilenden Soldaten

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