Von Beni Gafner, Basler Zeitung, 23.9.2013
Bürgerliche Sicherheitspolitiker, Bundesrat und Armeeführung dürfen sich vom klaren Abstimmungsresultat zur Beibehaltung der Wehrpflicht nicht blenden lassen. Wer bei oberflächlichem Jubel über eine «GSoA im Jammertal» verharrt, läuft Gefahr zu übersehen, was drei von vier Stimmbürger dieses Landes eigentlich wollen: Sicherheit auch in einer ausserordentlichen Lage durch eine funktionierende Milizarmee. Diese soll fähig sein, Grundprinzipien dieses Staates ebenso zu verteidigen wie dessen Bevölkerung und Infrastrukturen.
Die allgemeine Wehrpflicht bleibt dabei eine von mehreren Konstanten im schweizerischen Selbstverständnis für eine möglichst unabhängige Schweiz. Das Ja unterstreicht den Willen einer überwiegenden Mehrheit, Freiheit und Werte käme es zum Äussersten auch mit Gewalt zu verteidigen. Dass die stets unangenehme Gruppe für eine Schweiz ohne Armee wiederholt eine sicherheitspolitische Grundsatzfrage gestellt hat, ist gerade unter demokratiepolitischen und freiheitlichen Gesichtspunkten anzuerkennen. Inhaltlich ist der GSoA lediglich ein Hauptfehler anzulasten, der auch Ursache für den eher lauen Abstimmungskampf sein dürfte. Die GSoA legte ihrem jüngsten Vorschlag unausgesprochen ein Soldatenbild zugrunde, das dem Wesen der meisten Schweizer Bürgersoldaten nicht entspricht. Milizsoldaten sind hierzulande ganz im Gegensatz zu Angehörigen anderer Armeen keineswegs «unpolitische Gewaltspezialisten», die es aus pazifistischer Sicht politisch zu bekämpfen gilt. Der Schweizer Bürgersoldat, demokratisch geschult, lässt sich Kasernenhofgebrüll und menschenverachtende Einsatzbefehle nicht gefallen. Er ist hingegen bereit, Verantwortung zu übernehmen. Somit entspricht das gestrige Votum nur vordergründig einer Kanterniederlage für die GSoA. Es nimmt hintergründig aber Politik und Armeeführung in Pflicht, endlich jene Variablen ins Lot zubringen, die eine glaubwürdige Armee erst ausmachen.
beni.gafner@baz.ch
Montag, 23. September 2013
Freitag, 20. September 2013
12 Regeln für erfolgreichen Widerstand
Harald Welzer (2013).
Selbst denken - eine Anleitung zum Widerstand. (S. Fischer Verlag:
Frankfurt am Main), S. 293:
- Alles könnte anders sein.
- Es hängt ausschliesslich von Ihnen ab, ob sich etwas verändert.
- Nehmen Sie sich deshalb ernst.
- Hören Sie auf, einverstanden zu sein.
- Leisten Sie Widerstand, sobald Sie nicht einverstanden sind.
- Sie haben jede Menge Handlungsspielräume.
- Erweitern Sie Ihre Handlungsspielräume dort, wo Sie sind und Einfluss haben.
- Schliessen Sie Bündnisse.
- Rechnen Sie mit Rückschlägen, vor allem solchen, die von Ihnen selber ausgehen.
- Sie haben keine Verantwortung für die Welt.
- Wie Ihr Widerstand aussieht, hängt von Ihren Möglichkeiten ab.
- Und von dem, was Ihnen Spass macht.
Selbst denken - eine Anleitung zum Widerstand
Harald Welzer (2013). Selbst denken - eine Anleitung zum Widerstand. (S. Fischer Verlag: Frankfurt am Main), S. 288ff:
Eine reduktive Kultur würde in fast jeder Hinsicht andere Paramenter für Orientierung, Entscheidungen und Handlungen setzen als die expansive: Statt "Wachstum" wäre für sie "Kultivierung" handlungsleitend, statt "Effizienz" "Achtsamkeit". Gegen "Schnelligkeit" stünde "Genauigkeit", gegen "ALLES IMMER" "Saison", gegen "Fremdversorgung" "Resilienz" und gegen "Konsum": Glück.
Die neuen Kategorien werden von einer wünschbaren Zukunft her gedacht, die alten vom Status quo. Denken von der Zukunft her öffnet neue Möglichkeiten, das Denken vom Status quo her schränkt sie systematisch ein auf das, was man schon kennt. Genau so entsteht das Vermögen zum Widerstand: die besseren Möglichkeiten der Zukunft gegen die schlechteren der Gegenwart durchzusetzen. Ob man das will, hängt davon ab, ob man selbst Verantwortung zu übernehmen bereit ist für die Zukunft. Oder nicht. (...)
Das legt die Entscheidung in Ihre Hände. Was wir (...) nicht mehr brauchen, sind Appelle und Belehrungen. Werte verändern nicht die Praxis, es ist eine veränderte Praxis, die Werte verändert.
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