Freitag, 28. Dezember 2007

Durchdiener - militärstrategische Kräfte oder rasches Abverdienen?

Warum hat die Schweizer Armee Durchdiener (DD) Soldaten (Sdt) und Kader?
Der Grundgedanke, in der Krise und in Konflikten die innerhalb der Armee rasch verfügbaren Kräfte einzusetzen, welche je nach ihrer Truppengattungs-Zuteilung und Ausbildung ohne zusätzliche Einsatzvorbereitung und Training zur Wirkung gebracht werden können, gilt es zu berücksichtigen! Es geht weniger darum, seine Dienstpflicht so rasch wie möglich zu absolvieren. Die Interessen der Eidgenossenschaft sind höher zu gewichten, als alle persönlichen Interessen und Absichten. Dieser Hintergrund steht leider nicht im Vordergrund, sondern immer der DD als Mensch und Bürger, was dem sicherheitspolitischen Instrument "Schweizer Armee" dabei aber im Weg steht! Es geht um "Dienst leisten" (Last und Unannehmlichkeiten auf sich nehmen) und eben weniger um "rasch seinen Dienst abzuleisten"!

Die DD müssen auf die anstehenden und wahrscheinlichsten Einsätze mental, gefechtstechnisch-taktisch vorbereitet und konditioniert werden. Die Anforderungen an einen Soldaten und Kader in einer Krise und einer Konfliktphase sind hoch, die Reaktionen in der Regel auf operativ-strategischer Ebene. Jedes Fehlverhalten hat somit sehr grosses Gewicht in der öffentlichen und stark medial geprägten Meinung. Die Anwendung von Gewalt in einem Umfeld unterhalb der Kriegsschwelle (-operations other than war-) will sehr gut trainiert und konditioniert sein. Nach einem Einsatz gibt es keine "Übungsbesprechung" im engsten Kreis der Betroffenen, sondern eine Einsatznachbesprechung / - beurteilung (-AAR, after action review und lessons learned-) in einem grösseren und öffentlichen Umfeld.

Daher gilt es einige meiner persönlichen Erfahrungen im Bereich der DD als militärstrategisches Mittel umzusetzen:

1. Die Selektion geeigneter DD ist zentral. Nur physisch, psychisch und sozial gefestigte Sdt sind als DD zuzulassen. Während der Grundausbildung sind ungenügende Sdt und Kader aus dem DD Status zu entlassen. Die jungen Sdt sind in der Regel weniger problematisch wie die jungen unerfahrenen Kader, die gleich alt sind wie die Sdt, welche sie zu führen haben.
2. Die Ausbildung ist ab Start Rekrutenschule (RS) auf die wahrscheinlichsten Einsätze auszurichten. Das Trainingsspektrum darf aber breit sein, bis zur Ultima Ratio an Gewaltanwendung!
3. Ein DD muss eine besondere Anerkennung im Bereich der Ausrüstung und Besoldung / Erwerbsausgleich (EO) haben, welche sich vom anderen Milizsoldaten abhebt.
4. Die Unterstützung von DD im Bereich "beruflicher Wiedereinstieg" muss gezielt unterstützt werden. Seine geleisteten Einsätze sind mittels einem Arbeitszeugnis als Anerkennung zu belegen.

Die neueste Idee vom abtretenden Kdt HEER, KKdt Luc FELLAY, dem DD ein Diplom als "Wachtpersonal" oder "Sicherheitsspezialisten" abzugeben, beurteile ich eher als problematisch. Wer setzt die im zivilen Umfeld geforderten Standards und wer überprüft die Qualität der Ausbildung und des Wissens und Könnens in den Einsätzen?

Der DD ist ein Mittel unserer Sicherheitspolitik! Das Ziel muss ist ein rasch verfügbarer und gut trainierter und konditionierter Sdt, Kader und Verband sein, welcher die Herausforderung einer Krise und eines Konfliktes ohne grosse bleibende Schäden meistern kann! Zum Wohl unseres Landes und seiner Gesellschaft und weniger zum persönlichen Wohl des Angehörigen der Armee!

Montag, 24. Dezember 2007

Massstäbe der Führungsauslese

Festakt aus Anlass des 50-jährigen Bestehens der Führungsakademie der Bundeswehr am 14. September 2007 in Hamburg

von Horst Köhler, Bundespräsident
in Europäische Sicherheit, Nr 11 / 2007, S. 8-12


(...)

Der militärische Führer und vor allem der Stabsoffizier braucht mehr als rein militärisches Können. Er braucht eine breite Allgemeinbildung, fundierte politische Kenntnisse und wissenschaftlichen Geist. Diese Überzeugung ist mindestens 200 Jahre alt und mindestens ebenso lange wird ihr widersprochen. Es gibt eben immer hart gesottene Troupiers, die können sich gebildete und politisch kundige Offiziere nur als "gedankenschwer und tatenarm" vorstellen. (...)

Heutzutage wenigstens sollte auch dem letzten klar sein: Der im Sinne der Führungsakademie gebildete Offizier, der über seine Bildung eben nicht seine militärische Entschlossenheit verliert, ist im Zweifel der bessere Soldat, weil er sich besser in der Welt orientieren kann, weil er offener für neue Eindrücke ist und selbständig weiterlernt, weil sein Urteil freier, proportionierter und abgewogener ist, weil er historisches Bewusstsein und also Respekt vor fremden Kulturen hat, weil er artikulierter ist, weil er mehr Empathie aufbringt, ohne sich von ihr lähmen zu lassen, und weil er unduldsamer gegen Unrecht und Gemeinheit wird. (...)

...politisches Urteilsvermögen und diplomatisches Fingerspitzengefühl, interkulturelle Kompetenz und Sprachkenntnisse, tatenfrohen Mut und die Fähigkeit zur operativen Vernetzung mit den Verbündeten, Kämpfertum und die gewissenhafteste Bemühung, Unschuldige zu schützen und zu schonen. Gerade die Synthese dieser Qualitäten verspricht erfolgreich zu sein. Gewiss, im Zentrum bleibt immer die Fähigkeit, das Feuer an den Feind zu bringen und ihm notfalls unseren Willen mit Gewalt zu diktieren.

(...)

Es kommt in den Einsätzen der Bundeswehr immer mehr und immer entscheidender auf jeden einzelnen Bürger in Uniform an. ... Da operieren kleine Einheiten weitgehend auf sich gestellt in einem Umfeld, in dem der Gegner nur schwer auszumachen ist und die Zivilbevölkerung als Deckung benutzt. Zugleich herrschen die Regeln eines Medienzeitalters, in dem schon eine einzige Fehlentscheidung entsprechende Bilder und weltweite politische Erschütterungen auslösen kann. Unter solchen Bedingungen müssen schon Patrouillenführer unter Ungewissheit und Zeitdruck Entscheidungen von grosser Tragweite treffen, und angesichts der möglichen und nötigen kurzen Reaktionszeiten trifft erst recht die Offiziere eine immense Verantwortung, für die eigenen Leute und für den politischen Gesamtzusammenhang des jeweiligen Einsatzes. Die Bundeswehr ist darauf gut vorbereitet: durch ihre Tradition der Auftragstaktik; durch Soldatinnen und Soldaten, die als Bürger in Uniform das Mitdenken nicht lernen mussten, sondern niemals aberzogen bekamen und darum auch ein besonders gutes Verständnis für die politischen und kulturellen Zusammenhänge am Einsatzort entwickeln; und durch Stabsoffiziere, die das Militärische in seine Zusammenhänge einzuordnen wissen und auch darum ihre Untergebenen überzeugend und erfolreich führen können.

Weiterführerende Literatur:
Miles Kosmopolitis: Brevier für den kritisch urteilenden Soldaten
http://cmva-abegglen.blogspot.com/2007/01/miles-kosmopolitis-zwei-chancen.html
http://cmva-abegglen.blogspot.com/2007/01/8-thesen-zum-miles-kosmopolitis.html

Freitag, 14. Dezember 2007

Army 'losing battalion' to drugs

BBC, Friday, 14 December 2007

The Army is dismissing the equivalent of almost a battalion of soldiers every year for taking drugs, a report says.


The Royal United Services Institute said the number of positive tests for illegal drugs like cocaine and heroin rose from 517 in 2003 to 769 last year.

Positive tests for cocaine use rose four-fold during the same period. A dishonourable discharge is likely after a positive test for illegal drug use.

The MoD said drug abuse was less common among forces personnel than civilians.

Test changes

Unannounced compulsory drug testing (CDT) is carried out across the Royal Navy, Army and RAF.

In the Army, which tests 85% of its personnel yearly, positive tests rose from 1.4 per 1,000 in 2003 to 4.0 in the first half of 2006 and 5.7 per 1,000 from January to June 2007.

Professor Sheila Bird, a senior scientist with the Medical Research Council writing for the RUSI Journal, said the government had refused to say whether it had change testing practices since 2003 "on the grounds of cost".

More sensitive tests and more testing after weekends and home leave would "go a long way" to accounting for the rise in positive tests for cocaine, she said.

Infrequent use

However, if there had been no changes, she said the cocaine results could signal "a genuine change in soldiers' drug use during a period coincident with major operations".

It could also indicate that cocaine use was actually two to three times higher because there was a high chance infrequent use was going undetected, Professor Bird said.

This was because infrequent use could occur on weekends - but testing may not specifically carried out on Mondays.

Professor Bird analysed answers to Parliamentary questions to find out about army drug testing.

She said that in 2003 cannabis accounted for 50% of all CDT positive tests and cocaine 22%, but by 2006 the figures were 30% for cannabis and 50% for cocaine.

The switch could be the result of soldiers deliberately moving away from cannabis to "minimise their chance of testing positive" - traces of cannabis remain in the urine for two to three weeks, while cocaine remains for two or three days after use.

'Zero tolerance'

RUSI defence management analyst Christianne Tipping said the Ministry of Defence's drugs policy needed to re-examined, especially "at a time when recruitment and retention are problematic".

"CDT exists to deter rather than to try to catch every single person who might engage in occasional drug use. It also helps to maintain operational effectiveness and reduce possible security risks, such as blackmail.

"However, there could be a need to look at a more pragmatic management strategy so that recruitment difficulties in certain trades are not compounded by high discharge rates resulting from drug offences."

But a Ministry of Defence spokesman said: "Drug misuse is incompatible with service life and is not tolerated.

"Positive rates in the Army over the past four years average around 0.77%, compared with over 7% in civilian workplace drug testing programmes in the UK.

"These statistics demonstrate that drug misuse is significantly less prevalent among service personnel than in corresponding civilian demographic groups."

The RUSI report comes a month after 17 soldiers from the Argyll and Sutherland Highlanders were discharged after testing positive for drugs.

US marine guilty of Iraq killing

by Peter Bowes, Friday, 14 December 2007
BBC News, California


A US marine has been found guilty of killing an Iraqi soldier while they were on night-time patrol in Fallujah.

Lance Corporal Delano Holmes was convicted of negligent homicide, but was found not guilty of a more serious charge of unpremeditated murder.

Holmes told a military court in San Diego he stabbed the Iraqi private in a fight after suspecting he might be signalling to an insurgent sniper.

He now faces up to eight years in prison and a dishonourable discharge.

Cigarette

Holmes told the court he had had fought with Private Munther Jasem Muhammed Hassin while they had been on night-time sentry duty in Falluja.

He said he suspected that the Iraqi was signalling to insurgents with a lit cigarette and a mobile phone.

He told investigators that during the fight Pte Hassin reached for his AK-47 after refusing to put down the cigarette and phone.

Prosecutors accused Holmes of repeatedly stabbing the Iraqi solder with his bayonet. They said Pte Hassin was an ally of the United States, and there was no evidence he was anything but "a peaceful guy".


Holmes's defence lawyer told jurors the actions of the marine were "a perfectly reasonable application and escalation of force".

A post-mortem examination found that Pte Hassin had 17 stab wounds, 26 cuts and a gash that nearly severed his nose.

Holmes was also found guilty of lying to his superiors about the incident.

The five-day trial focused on the politically sensitive issue of how US marines interact with the Iraqi security forces.

Mittwoch, 5. Dezember 2007

Die Macht der Intuition wird unterschätzt

von Guido Kalberer, Engelberg im Tages-Anzeiger, Di, 04.12.2007, S. 45
"Bei der Intuition handlet es sich um eine unbewusste Form von Intelligenz"
(Gerd Gigerenzer, Psychologe, Direktor des Berliner Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung)

(...)

Unter Intuition versteht Gigerenzer alles andere als Esoterik oder irrationale Gefühle, die unmotiviert aus dem Unbewussten auftauchen. Vielmehr sieht er darin eine unbewusste Form von Intelligenz. Inuitives Handeln meint automatisierte Abläufe, die auf Vernunft beruhen und über lange Zeit erlernt wurden. Sie stehen nach Gigerenzer nicht im Gegensatz zum Logos, sondern übernehmen immer dann ihren entscheidenden Part, wenn die Dinge so klar und eindeutig sind, dass sie keiner reiflichen Überlegung mehr bedürfen.
"Die Weisheit der Gefühle hat viel mit Wissen und nichts mit Metaphysik zu tun. Verstand und Intuition können Hand in Hand gehen"
(Gerald Traufetter)

(...)

Manipulierbare Emotionen
Wer sich mit Inuition beschäftige, habe es immer wieder mit Emotionen zu tun, die massiv manipuliert würden; und in dieser Hinsicht seien zahlreiche Medien alles anderer als aufklärische, der Vernunft und der Wahrheit verpflichtete Instanzen.
(...)

Dienstag, 4. Dezember 2007

Moral Forces in War

Kleemeier, Ulrike (2007), 'Moral Forces in War', in Hew Strachan, Andreas Herberg-Rothe, eds., Clausewitz in the Twenty-First Century (Oxford: University Press), S. 107-121.

(...)

Clausewitz today: Modern times and moral forces
Clausewitz outlines an image of the soldier which is highly individualistic, holistic, and deeply attached to the emotional realm of the human mind. Does all this mean anything to us today, and if so what exactly?
(...)

Clausewitzian vitues [1) coup d'oeil: 'intuition' is the word which best captures this power of judgement. We use exactly this term to signify mental acts which happen rapidly, are spontaneous, initmately connected with emotional life, and possess synthesizing power. Of course, this does not mean that intuition cannot be based on experience. Presumably the oppsoite is the case. 2) Bravery or courage: Much more valuable than indifference to danger is boldness (Kühnheit), a form of courage induced by positive motivations. ... Boldness enables a person not just to endure danger but to master and overcome it through acting. All of this demonstrates the mew model of a soldier who acts and thinks as an individual. 3) Self-control: Self-control itself is founded on a feeling of a special kind. It results from the intense mental need to act as somebody who is not just driven by something but instead drives things forward. The source of self-control is nothing other than a particular from of striving for Menschenwürde or human dignity. But this need is of course itself an emotion, a passion in this case, and not a product of the faculty of intellect. ... If you want to control the very strong feelings which are inevitable in war, you can do so only by powers which are themselves located within the emotional realm.] become very relevant when Western forces are involved in this kind of constellation [armed conflicts without clear fronts, wars which are not fought with collective weapons like tanks and rockets, but with Kalashnikovs, knives, machetes and rape, wars where limits between combatants and non-combatants are almost completely dissolved, wars which often seem to be completely irrational and without any political motives, wars with a great deal of primitive violence, but without battles]. With all their inherent individualism, they are in a way even better designed for 'small' warfare than 'big' warfare. People are needed who possess coup d'oeil in situations even more confusing than traditional warfare, and also people who are able to cope and survive without receicing any orders for a long time. On the other hand, you do not of course need people who are likely to assimilate with those criminals or half-criminals they are expected to fight. What is required is a type of soldier deeply committed to Western values and at the same time able to find his say in a kind of warfare dominated not so much by esprit de corps as by a mixture of economic interests and seemingly irrational factors.
...the type of soldier Clausewitz presents to us does not have a subordinate mind. He is characterized by a vivid, independent, and wilful spirit.