Montag, 24. Dezember 2007

Massstäbe der Führungsauslese

Festakt aus Anlass des 50-jährigen Bestehens der Führungsakademie der Bundeswehr am 14. September 2007 in Hamburg

von Horst Köhler, Bundespräsident
in Europäische Sicherheit, Nr 11 / 2007, S. 8-12


(...)

Der militärische Führer und vor allem der Stabsoffizier braucht mehr als rein militärisches Können. Er braucht eine breite Allgemeinbildung, fundierte politische Kenntnisse und wissenschaftlichen Geist. Diese Überzeugung ist mindestens 200 Jahre alt und mindestens ebenso lange wird ihr widersprochen. Es gibt eben immer hart gesottene Troupiers, die können sich gebildete und politisch kundige Offiziere nur als "gedankenschwer und tatenarm" vorstellen. (...)

Heutzutage wenigstens sollte auch dem letzten klar sein: Der im Sinne der Führungsakademie gebildete Offizier, der über seine Bildung eben nicht seine militärische Entschlossenheit verliert, ist im Zweifel der bessere Soldat, weil er sich besser in der Welt orientieren kann, weil er offener für neue Eindrücke ist und selbständig weiterlernt, weil sein Urteil freier, proportionierter und abgewogener ist, weil er historisches Bewusstsein und also Respekt vor fremden Kulturen hat, weil er artikulierter ist, weil er mehr Empathie aufbringt, ohne sich von ihr lähmen zu lassen, und weil er unduldsamer gegen Unrecht und Gemeinheit wird. (...)

...politisches Urteilsvermögen und diplomatisches Fingerspitzengefühl, interkulturelle Kompetenz und Sprachkenntnisse, tatenfrohen Mut und die Fähigkeit zur operativen Vernetzung mit den Verbündeten, Kämpfertum und die gewissenhafteste Bemühung, Unschuldige zu schützen und zu schonen. Gerade die Synthese dieser Qualitäten verspricht erfolgreich zu sein. Gewiss, im Zentrum bleibt immer die Fähigkeit, das Feuer an den Feind zu bringen und ihm notfalls unseren Willen mit Gewalt zu diktieren.

(...)

Es kommt in den Einsätzen der Bundeswehr immer mehr und immer entscheidender auf jeden einzelnen Bürger in Uniform an. ... Da operieren kleine Einheiten weitgehend auf sich gestellt in einem Umfeld, in dem der Gegner nur schwer auszumachen ist und die Zivilbevölkerung als Deckung benutzt. Zugleich herrschen die Regeln eines Medienzeitalters, in dem schon eine einzige Fehlentscheidung entsprechende Bilder und weltweite politische Erschütterungen auslösen kann. Unter solchen Bedingungen müssen schon Patrouillenführer unter Ungewissheit und Zeitdruck Entscheidungen von grosser Tragweite treffen, und angesichts der möglichen und nötigen kurzen Reaktionszeiten trifft erst recht die Offiziere eine immense Verantwortung, für die eigenen Leute und für den politischen Gesamtzusammenhang des jeweiligen Einsatzes. Die Bundeswehr ist darauf gut vorbereitet: durch ihre Tradition der Auftragstaktik; durch Soldatinnen und Soldaten, die als Bürger in Uniform das Mitdenken nicht lernen mussten, sondern niemals aberzogen bekamen und darum auch ein besonders gutes Verständnis für die politischen und kulturellen Zusammenhänge am Einsatzort entwickeln; und durch Stabsoffiziere, die das Militärische in seine Zusammenhänge einzuordnen wissen und auch darum ihre Untergebenen überzeugend und erfolreich führen können.

Weiterführerende Literatur:
Miles Kosmopolitis: Brevier für den kritisch urteilenden Soldaten
http://cmva-abegglen.blogspot.com/2007/01/miles-kosmopolitis-zwei-chancen.html
http://cmva-abegglen.blogspot.com/2007/01/8-thesen-zum-miles-kosmopolitis.html

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